Kanak Attack | ||
Studio | Concorde (2000) | |
Verleih | Concorde Home Entertainment (2001) | |
Laufzeit | 81:18 min. (FSK 16) | |
Regie | Lars Becker | |
Darsteller | Luk Piyes, Nadeshda Brennicke, Tyron Ricketts | |
DVD-Typ | DVD-9 | |
Fernsehnorm | PAL | |
Bildformat | 1,85:1 (anamorph) | |
Audiokanäle | 1. Deutsch, Dolby Digital 5.1 2. Deutsch, Dolby Surround 3. Deutsch, DTS 5.1 | |
Untertitel | - | |
Regionalcode | 2 | |
Verpackung | Amaray-Case | |
Preis | ca. DM |
Film
Ertan (Luk Piyes) und Kommissar Lorant (Andreas Hoppe) sind inzwischen alte Bekannte, denn auch wenn Ertan gerade mal Anfang zwanzig ist, hat er doch schon die ganze Palette an kleinerer und größerer Kriminalität abgearbeitet. Und seine Planung für die nähere Zukunft sieht auch nicht vor, daran Wesentliches zu ändern. Zum einen ist seine latente Abhängigkeit von Heroin & Co. anders kaum zu finanzieren und außerdem sind auch seine beiden besten Kumpel Kemal (David Scheller) und Mehdi (Tyron Ricketts) in der selben Branche tätig und es geht schließlich nichts über ein angenehmes Arbeitsumfeld mit netten Kollegen. Es existieren nur ein paar, wenn auch ziemlich durchlässige Grenzen, so lehnt er nicht zuletzt in Hinblick auf die Ermahnungen seines Vaters, das nette Angebot von Sandra (Nadeshda Brennicke) und Youca (Oezlem Cetin) ab, für sie den Zuhälter zu spielen, obwohl ihn mit Youca fast schon mehr als nur freundschaftliche Gefühle verbinden. Allerdings ändert seine diesbezügliche Zurückhaltung nichts daran, dass er in offenen Konflikt mit dem Arbeitgeber der beiden, dem Eros-Center Betreiber Attila (Ercan Durmaz) und dessen baseballschlägerschwingenden rechten Hand Zlatko (Murat Yilmaz) gerät, mit lebensgefährlichen Nebenwirkungen. Aber Attila stellt nicht Ertans einziges Problem dar, auch die Justiz streckt hartnäckig ihre Fühler aus und irgendwann landet auch er hinter skandinavischen Gardinen. Schuld daran trägt Kemal, den er während dessen Zwangsaufenthaltes in Istanbul besuchte und dabei auch gleich heiße Verbindungen zu Lieferanten des begehrten weißen Puders knüpfte, dessen Fund in seiner Wohnung aufgrund der Menge leider nicht mehr als Eigenbedarf durchging. Doch kaum aus dem Knast entlassen, geht das Spiel weiter, wobei die Einsätze immer höher und die Opfer bis in den engsten Freundeskreis hinein stetig mehr werden.
Zum Kinostart von "Kanak Attack" kamen auch mal wieder die Vergleiche mit
"Pulp Fiction" auf, die jedoch ebenso einfallslos, wie irreführend sind.
"Kanak Attack" hat mit diesem nur die Strukturierung nach Episoden und das
Kleinganoven-Milieu gemeinsam. Während Tarantinos Werk in seiner Aufmachung eine Hommage
an die überhöhte Künstlichkeit des stimmungsvollen Gangsterkinos -bzw. der
entsprechenden Literatur ist, steht "Kanak Attack" eindeutig in der Tradition
von alltagsnäheren Dramen wie "Menace II Society" oder den Gangsterballaden aus
den britischen Industrievierteln. "Kanak Attack" darf sich dabei rühmen all die
Merkmale aufzuweisen, deren Fehlen bei Betrachtungen über den Zustand des deutschen Films
immer wieder an vorderster Stelle stehen.
Er ist direkt aus der Gegenwart gegriffen und zwar der Gegenwart in den Nebenstraßen von
Kiel und ausnahmsweise nicht der Pseudoalltag von hippen Typen mit modischen Berufen, die
schicke Lofts bevölkern und über virtuelle Beziehungsprobleme jammern. Nein, zur
Abwechslung laufen hier lebendige Menschen herum und die Drehbuchautoren Lars Becker und
Feridun Zaimoglu können dafür garantieren, dass deren Dialoge das Label authentisch
tatsächlich verdienen. Die beiden vorgenannten haben außerdem dafür gesorgt, dass die
Sache nicht als politisch korrekte Sozialsülze oder als anödende Quasidokumentation
daherkommt, sondern als ausgewachsener Kinofilm, dass heißt jede Menge Action, Dramatik,
eine Prise Humor und ein Tempo, dass dem Zuschauer die Möglichkeit verwehrt, das Wort
Langeweile auch nur zu denken.
Zu beglückwünschen sind die Macher des Films zu ihrem ausnehmend glücklichen Händchen
bei einer Besetzung, die in den Hauptrollen auf eher unbekannte Gesichter zurückgriff,
die durch die Bank zu überzeugen wissen. Vor allem Hauptdarsteller Luk Piyes, der
praktisch in jeder Szene auftritt und seinen Ertan zu einem absolut überzeugenden
Protagonisten macht, darf für sich so einiges an verdientem Lob in Anspruch nehmen. Richtig
sympathisch ist er mit seiner großen Klappe und einem verminderten Gehalt an Gewissen
keineswegs, so lässt das Drehbuch auch keinen Zweifel daran, dass die unvermeidlichen
Rückschläge, die sich vor allem in diversen Begegnungen mit den Verteidigern des
Gesetzes widerspiegeln durchaus ihre Berechtigung haben. Jedoch, die Figur beschränkt
sich nicht auf den Status als Kleinganove; geprägt wird die Darstellung von seiner
Position als loyaler Freund und engagiertes Familienmitglied, nicht unbedingt das Übliche
im Klischeegeprägten Gangsterfilmgenre.
Dass der Film insgesamt funktioniert beweist sich insbesondere bei Szenen wie der mit dem
nervenkranken Onkel, die haarscharf auf der Grenze zwischen ergreifendem Gefühl und
unerträglichem Kitsch balanciert, letztlich aber sein Hauptgewicht auf die Gewinnerseite
verlagern kann.
Bild
Was zuerst auffällt, ist die meist mehr als unterkühlte Farbgestaltung. Aber insofern liegt mal wieder kein Fehler, sondern ein stimmiges Regiekonzept vor, dass schon durch die Bildgestaltung die passende Atmosphäre für die erzählte Geschichte schafft. Die Qualität der Bilder zeichnet sich im übrigen dadurch aus, dass etwaige Mängel fast buchstäblich mit der Lupe zu suchen sind, geht es doch nur darum, dass für einen kurzen Moment eine kleine Fläche ein wenig Rauschen aufweist, eine Kante für wenige Sekunden aufflimmert oder sich dreimal im gesamten Film ein einsamer Drop-Out kurz ins Bild verirrt. Kurz gesagt, die Qualität ist schon ziemlich nah dran am Idealzustand.
Ton
Zwischen Dolby Digital und DTS findet sich kein wesentlicher Unterschied, beide sind gleichermaßen gelungen. Alles was der Film an soundtechnischen Umsetzungen fordert wird optimal erfüllt. Die Dialoge klingen natürlich, was bei dem vorgegeben Inhalt für die Glaubwürdigkeit des Geschehens natürlich von besonderer Bedeutung ist. Sofern Umgebungsgeräusche gefragt sind (was allerdings nicht allzu häufig der Fall ist) sind diese genau richtig im dann weitausgreifenden Raum positioniert. Und die begleitende Hip-Hop Musik wird mit den notwendigen fetten Bässen unterstützt.
Special Features
Herzstück der Zugaben ist wieder einmal der Audio-Kommentar von Regisseur Becker und
Kameramann Hubach. Der Kommentar stammt aus der Abteilung "eingehend informativ"
und nimmt die einzelnen Szenen zum Anlass, um weiter auszugreifen und über die Entstehung
des Films zu berichten. Insofern ist es schade, dass der Kommentar nur gut die Hälfte der
Filmlaufzeit umfasst. Auch ist zu berücksichtigen, dass durch die Mitwirkung des
Kameraleiters die technischen Aspekte (die nicht unbedingt jedermanns Sache sind) einen
gewissen Schwerpunkt bilden.
Der Rest der Zugaben ist Standartprogramm, kurze Interviews mit den Mitwirkenden, Notizen
zur Filmentstehung, sowie zu den Aktiven vor und hinter der Kamera. Schließlich noch der
Trailer und das Video zu "Day To Day" von Mellowbag.
Die auf dem Cover angegebenen über 70 Minuten Zusatzmaterial errechnen sich im übrigen
inklusive des Audio-Kommentars.
10.01.2002
Review von Tobias Wrany
Test-Equipment
TV: Panasonic TX-28PK1F
DVD-Player: Pioneer DV-343
Dolby Digital / DTS Receiver: Sony STR-DA50ES