Euro1080: Technische Details zum HDTV-Start

25.06.2003 (ks)

Noch sechs Monate sind es, bis auch in Europa das Zeitalter des High Definition Television beginnen soll. Gabriel Fehervari, Geschäftsführer des hinter dem Projekt "Euro1080" stehenden Broadcasting-Dienstleisters Alfacam, möchte vom belgischen Antwerpen aus den Anschluss Europas zur hochauflösenden Fernsehtechnik erreichen. Fehervari erläuterte auf der "Mediavision Cologne" das Programmkonzept des Senders, der aus einem frei empfangbaren "Main Channel" und einem verschlüsselten "Event Channel" bestehen soll (siehe Meldung vom 24.06.2003).

Beide Programme sollen digital über einen ASTRA-Satelliten ausgestrahlt werden und europaweit empfangbar sein. Auch eine Einspeisung in die Kabelnetze von Ländern mit hoher Kabelnutzung ist beabsichtigt. Dies dürfte in Deutschland aufgrund der spärlich digital ausgestatteten Kabel-Infrastruktur aber kaum Wirklichkeit werden, mal ganz davon abgesehen, dass der Kanal eine Bandbreite beansprucht, die bei den derzeitig niedrigen DVB-Bitraten für rund 5 normale Sender in PAL-Auflösung reichen würde. Bei der Wahl des digitalen Übertragungsstandards nimmt sich Euro1080 Australien zum Vorbild: Gesendet wird im erweiterten DVB-Standard mit einer Auflösung von 1920 x 1080 Pixeln und 50 Interlaced-Halbbildern pro Sekunde. Damit wird es zumindest vorerst auch im HDTV-Zeitalter eine Trennung zwischen Europa und dem amerikanisch-asiatischen Raum geben, wo weiterhin mit 60 Hz gesendet wird. Das 50 Hz-Flimmern ist zwar bei HDTV-Projektoren und Plasmas weniger ein Problem als bei Röhrengeräten, die nach dem Zeilensprungverfahren funktionieren. Da HDTV mit 50 Hz aber bislang kein großes Thema war, ist es nicht unbedingt selbstverständlich, dass bereits in der Vergangenheit verkaufte HDTV-Geräte auch 50 Hz in dieser Auflösung unterstützen. Darüber hinaus bleibt auch eine bestehende Hürde für die weltweite Austauschbarkeit von Video-Material erhalten.

Die über Satellit ausgestrahlten Programme werden zunächst in MPEG2 komprimiert sein. Fehervari wollte aber für die Zukunft auch nicht den Wechsel auf einen verbesserten Kompressions-Codec wie H.264 ausschließen, sobald diese nutzbar sind, was zwar in technischer Hinsicht Sinn macht, für den HDTV-Early Adopter aber nicht unbedingt eine vertrauenserweckende Aussage ist. Microsofts Windows Media 9 erteilt Fehervari aber zunächst eine Absage, da es für dieses Format bislang noch keine Broadcasting-Encoding-Systeme gebe.

Der MPEG2-Datenstrom von Euro1080 wird zunächst mit einer Bitrate von 19 Mbps für den "Main Channel" übertragen und entspricht somit der im amerikanischen ATSC-Standard gebräuchlichen Datenrate. Der "Event Channel" nutzt mit 28 Mbps eine höhere Datenrate, die auch bei vorbespielten HDTV-Bändern im D-Theater-Format von JVC üblich ist. Beide Kanäle sollen 5.1-Digitalton bieten. 

Auf große öffentliche Unterstützung der Unterhaltungselektronikindustrie, die eigentlich froh sein müsste, einen Kanal zu haben, der auch das Potential ihrer HDTV-Plasmas und Projektoren ausnutzt, muss Euro1080 bislang verzichten. Und so ist auch derzeit noch ungeklärt, ob und von wem es schon zum Sendestart geeignete HDTV-Sat-Receiver geben wird, mit denen der Endverbraucher "Euro1080" überhaupt empfangen kann. Fehervari zeigte sich zwar optimistisch, dass es solche Receiver zu Preisen von 200-250 geben wird, konnte aber noch keinen konkreten Anbieter nennen. Man sei derzeit noch in Gesprächen mit verschiedenen Firmen, u.a. auch Sony, die bislang aber noch ergebnislos gewesen sind. Bislang gibt es lediglich professionelle Broadcasting-Systeme u.a. von Tandberg, mit denen man "Euro 1080" empfangen könnte.

Einnahmen verspricht sich "Euro1080" zunächst vor allem durch den "Event Channel", der mit hochkarätigen Konzerten und Sportübertragungen Besucher in "E-Cinemas" locken soll, an deren Ticketverkäufen "Euro1080" beteiligt werden möchte. Die verschlüsselten Programme sollen sowohl live ausgesendet als auch nachts als Datenstream auf Festplatten/Serversysteme überspielt und dann zeitversetzt vorgeführt werden können. Euro1080 will zusammen mit dem Projektorenhersteller Barco den Kinos auch komplette E-Ciinema-Systeme zum Kauf anbieten.

Der "Main Channel", für den Ferhevari selbst in der Anfangszeit mit sehr wenigen Zuschauern rechnet, wird zunächst einmal vornehmlich der Publicity dienen. Mit einem Durchbruch für HDTV im Consumermarkt rechnet der Euro1080-Chef auch nicht vor 2006, dem Jahr der Fussball-WM in Deutschland.

Das Programm des "Main Channel" soll täglich aus zwei Sendungen pro Tag bestehen, die zunächst abends von 20-24 Uhr ausgestrahlt werden und dann zwei Mal zwischen 12 und 20 Uhr am nächsten Tag wiederholt werden. Sie sollen u.a. an öffentlichen Plätzen oder Einkaufszentren Neugier auf HDTV wecken. Das Programm soll möglichst wenig Sprachanteil bieten, da man auf eine bilinguale Ausstrahlung verzichten wird. Daher wird es auf Euro1080 auch keine Nachrichten geben und selbst die Sport-Events sollen vornehmlich durch Texttafeln Hinweise geben. Neben Sendungen, die von Alfacam produziert werden, setzt "Euro1080" auch auf den internationalen Programmaustausch und hat hierzu bereits Kooperationen mit dem amerikanischen HDNet oder der japanischen NHK vereinbart.

HDTV-Demomaterial gab es bei der Sendervorstellung in Köln übrigens von Euro1080 nicht zu sehen. Der Präsentationsfilm wurde lediglich auf einem Video-Projektor in XGA-Auflösung (1024 x 768) von einer normalen DVD abgespielt.